Rechtliches

Gesetze, Regeln, Begriffe und Zertifikate

*Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Saat- und Pflanzmaßnahmen in Schleswig-Holstein. Davon abweichende Regelungen in anderen Bundesländern müssen ggf. bei den jeweiligen oberen- und/oder unteren Naturschutzbehörden abgefragt werden.

Seit dem 01. März 2020 gilt der §40 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG).
Dort heißt es:

„(1) Das Ausbringen von Pflanzen in der freien Natur, deren Art in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt, sowie von Tieren bedarf (ab 1. März 2020) der Genehmigung der zuständigen Behörde. Dies gilt nicht für künstlich vermehrte Pflanzen, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben. (…)“

Diese etwas umständliche Formulierung beinhaltet zwei Begriffe, die wesentlich sind und näher betrachtet werden müssen: ‚freie Natur‘ und ‚genetischer Ursprung‘.

Zum besseren Verständnis gehen wir zuerst auf den Begriff ‚genetischer Ursprung‘ ein, weil hiermit der Begriff ‚gebietseigenes Saatgut‘ einhergeht.

Um den Begriff des ‚genetischen Ursprungs‘ handhabbar zu konkretisieren, wurde im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes eine Karte mit 22 Ursprungsgebieten entwickelt. Jedes Ursprungsgebiet (UG) definiert einen genetischen Ursprung. Diese Karte gilt für Saaten und Pflanzgut von sogenannten Einjährigen, Zweijährigen, Stauden und diversen Halbsträuchern . Saat, die nachweislich von Naturbeständen aus einem dieser Ursprungsgebiete stammt, gilt als gebietseigen aus diesem Ursprungsgebiet.

Das heißt, dass Saaten und Pflanzen, die z.B. auf einer Fläche in der freien Natur ausgebracht werden sollen, die im Ursprungsgebiet 3 (Nordostdeutsches Tiefland) liegt (s. Karte), auch aus diesem Gebiet stammen müssen – also dort ihren Ursprung haben und somit gebietseigen sind.

Um den Anbau von gebietseigenen Saaten und Pflanzen nachvollziehbar zu ordnen, wurden die 22 Ursprungsgebiete auf 8 Produktionsräume verteilt. D.h., dass eine Gärtnerei, die z.B. in der Nähe von Bremen (UG 1) ihre Vermehrungsflächen hat, sowohl Saaten und Pflanzen aus dem UG 1 als auch aus dem UG 2 vermehren darf. Denn beide UGs zusammen bilden den Produktionsraum ‚NW / Nordwestdeutsches Tiefland‘ (s. Karte).

Karte des Verbands deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten e.V.

Die Herkunftsgebiete von Gehölzen, also Sträuchern und Bäumen, werden in einer gesonderten Karte dargestellt und unterliegen zum Teil weiteren gesetzlichen Bestimmungen.

Unter freier Natur verstehen wir die Flächen, die nicht landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzt werden, ferner solche, die nicht dem Küstenschutz unterliegen sowie Flächen, die nicht innerhalb einer Siedlung liegen.

Anders ausgedrückt: Flächen, die land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden und Flächen, die dem Küstenschutz unterliegen sowie Flächen innerhalb eines Siedlungsraums unterliegen nicht dem §40 BNatschG. Auf diesen Flächen sind Sie nicht an den §40 BNatschG gebunden.

Damit  bleiben als ‚freie Natur‘ in Schleswig-Holstein nur noch die Wege- und Straßenränder sowie diverse von vorgenannter Nutzung freie, im Einzelfall zu definierende Flächenschnipsel, wie z.B.  Saumstreifen in denen der §40 verpflichtend ist.

Ebenfalls verpflichtend ist die Anwendung des  §40 auf Ausgleichs- und Ökokontenflächen  sowie Flächen in  Naturschutzgebieten.

Das Ausbringen von Saaten und Pflanzen, die nicht gebietsheimisch sind, unterliegt auf diesen Flächen grundsätzlich der Genehmigung durch das Landesamt für Umwelt (LfU) in Flintbek.

Achtung! Auf Ausgleichs- und Ökokont0flächen  sowie Flächen in  Naturschutzgebieten ist immer die Zustimmung der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des jeweiligen Landkreises  erforderlich– auch, wenn die Saaten und Pflanzen nachweislich gebietsheimischen Ursprungs sind!

Die Eigentumsverhältnisse spielen grundsätzlich keine Rolle. Der §40 und die damit einhergehenden Regelungen gelten sowohl für öffentlichen als auch privaten Grund und Boden.

Selbstverpflichtung

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass wir alle uns bemühen sollten, bei Aussaaten und Anpflanzungen möglichst gebietseigenes Material zu verwenden, auch wenn wir auf den ausgewählten Flächen dazu nicht explizit verpflichtet sind. Denn mit jeder gebietseigenen  Aussaat oder Anpflanzung tragen wir dazu bei, seltene Arten zu retten und die Vielfalt unserer Natur zu fördern ohne sie dabei zu verfälschen.

Zertifizierung

Damit die gehandelten Saaten und Pflanzen garantiert gebietseigen sind, werden die zertifizierten Gärtnereien und landwirtschaftlichen Betriebe regelmäßig kontrolliert. Wir empfehlen dringend darauf zu achten, dass Sie beim Einkauf nur Wildpflanzenprodukte erwerben, bei denen mindestens das Ausgangssaatgut nach dem Regelwerk VWW-Regiosaaten® oder nach RegioZert® zertifiziert ist. Die gültige Zertifizierung wird durch eines dieser beiden Logos nachgewiesen:

Der Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten e.V. (VWW) ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten, der im Juli 2005 gegründet wurde. Die Geschäftsstelle befindet sich im hessischen Langgöns.

Der Verband widmet sich der Entwicklung und Sicherung von fachlich hohen Standards für ein möglichst breites Spektrum von Wildpflanzenprodukten.  Das Regelwerk VWW-Regiosaaten® regelt die Sammlung, den Anbau von und den Handel mit Wildsaaten auf der Grundlage der bestehenden Gesetze und Verordnungen. Damit sind klare Vorgaben für ein Qualitätsmanagement der Mitgliedsbetriebe formuliert.

Der VWW e.V. berät die Mitgliedsbetriebe in rechtlichen Fragen und unterstützt und fördert den Erfahrungsaustausch bei Themen wie z.B. Anbau und Vermarktung.

Bei Einhaltung des Regelwerks VWW-Regiosaaten® kann auf Antrag eine Zertifizierung VWW-Regiosaaten® erfolgen. Die Zertifizierung wird vom VWW e.V. organisiert und durch die anerkannte Kontrollstelle ABCERT durchgeführt. Durch die Einbindung einer  verbandsunabhängigen Vergabekommission sind Neutralität und Objektivität bei der Zertifikatsvergabe sichergestellt.

Weitere vom VWW e.V. vergebene Zertifikate sind:

VWW-Regiogehölze®

VWW-Regiostauden®

RegioZert® ist ein Regelwerk zur Herkunfts- und Qualitätssicherung von gebietseigenem Saatgut. Auch hier regelt die Vorgabe hoher Standards die Sammlung, den Anbau von und den Handel mit Wildsaaten auf der Grundlage der bestehenden Gesetze und Verordnungen.

Das Zertifikat ist in der Abteilung Handel des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP) angesiedelt (http://www.bdp-online.de/de/Branche/Saatguthandel/RegioZert/). Es fokussiert die ausschließliche Verwendung von  verbreiteten Wildpflanzenarten als Regiosaatgut.

Die Einhaltung der strengen Herkunfts- und Qualitätskriterien wird durch das LACON-Institut regelmäßig geprüft.